24 November, 2008

bar 67*

das erste mal, als sie die bar betrat, hatte sie weiche knie. gerade eben hatte ihr eine ihrer schauspielerinnen eröffnet, dass sie die premiere nicht mitspielen würde. die premiere war in 14 tagen. sie war schockiert, im physischen sinne, deswegen die weichen knie.

das zweite mal, dass sie die bar mit dem fast teuflischen namen betrat, hatte sie ebenfalls weiche knie. die premiere war über die bühne gegangen und alle hatten alles geschafft. sie auch. nur leider, in einem anfall von verwirrung und kälte in den fingern, war ihr ihr neues handy aus der hand gefallen, in den kanal in der nähe der bar. wie immer, wenn ihr irgendwas von wert abhanden kam, fühlte sie dieses alldurchdringende verlustgefühl, das ziehen in der magengegend. die seltsame weichheit in den beinen.

das dritte mal. auf dem weg zur bar passierte sie das krankenhaus, in dem sie geboren wurde, ein hässliches krankenhaus. sie dachte über menschen nach und gefühle, als ihr klar wurde, dass der rote mini auf der rechten straßenseite sie vielleicht nicht sehen würde. sie hatte vor ein paar wochen einen fahrradunfall gehabt und alles, was vorne an ihrem fahrrad dran war, ging seitdem nicht mehr. eigentlich wollte sie das fahrrad reparieren lassen, nur hatte sie zu wenig geld dafür. sie wich also aus. dachte, dass der mini sicherlich nur ausparken würde. wollte er aber nicht. sie dachte, ah, eine 3-punkt-wendung. aber auch das stimmte nicht. der mini wollte eine 180-gradwendung ohne schulterblick machen. die straße war nass. sie dachte logisch: "ich hab kein licht. ich kann jetzt in die klötze treten, nach hinten links ausscheren, schliddern und mit dem rechten wangenknochen auf den roten kotflügel knallen. mein lenker wird sich in die seite dieses autos bohren und vielleicht brech ich mir den arm. besser, ich weich einfach noch mehr aus und schreie."

sie schrie. hob das grazil beschuhte rechte bein in strumpfhose und overknees, stellte sehr vorsichtig ihren fuß auf die motorhaube des minis und stieß sich in einer imitation einer misslungenen rückenwende luftig nach hinten ab. und kam auf beiden, hochbehackten füßen zu stehen. sie schob ihr fahrrad zur seite und dachte: "auweia, und was, wenn das auto, ich hab doch echt kein geld und licht hatte ich vorn auch nicht...", als die fahrerin des minis ausstieg und sich sofort entschuldigte, überschwänglich: "hab dich echt nicht gesehen, hab aber auch gar nicht geguckt, bin einfach nur los, entschuldige, ist alles okay? sicher?" "aber, dein auto..." "scheiß auf das auto, geht's dir gut?" "ähm, ja." "und dem fahrrad?" sie nickte, alles gut. nochmal gut gegangen. nach mehrfacher versicherung, dass alles in ordnung sei, fuhr sie los. stieß ein paar leise schreie aus, beruhigte ihre zitternde seele und die knie und betrat zum letzten mal die bar.

*name von der redaktion geändert. ähnlichkeiten mit untenstehendem straßenschild sind völlig unbeabsichtigt:
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21 November, 2008

sie lebt! sie lebt!

ich lebe noch. das schonmal als anfang. aber danke der vielen besorgten anfragen nach "piep" und ähnlichen überlebenszeichen. und weil es so herrlich ist, zu leben und man gleich ungleich mehr dinge erlebt, als wie wenn man tot ist (was man ja nur vermuten kann, weil ja niemand weiß, wie es ist, wenn man tot ist und sowieso, schweif ab blabla), hier ein paar dinge, die ich heute erlebte: schnee. heute hat es geschneit! so richtig! mit flocken, die von oben nach unten fielen!

anderes thema: in schönstem rosa ergoss sich im gutbürgerlichen friedenau heute der optimismus. friedenau kann mal ein bisschen anarchistenrosa gebrauchen, es ist dort wirklich sehr brav. alle häuser stehen an der richtigen stelle, die bäume und statussymbole auch, alles glänzt und wenn man ehrlich ist: so'n kleinen schubs könnte friedenau schonmal vertragen.
und wo wir gerade bei grauen tagen und optimismus sind, hier noch ein zeitzeugnis eines etwas gewagteren stadtteils dieses molochs: kreuzberg. auch in kreuzberg gibt es optimisten. denen gehören häuser, die sie optimistisch anstreichen. die auch im dunkeln leuchten, ganz sicher. aber wer hätte sowas nicht gern - im dunkeln leuchtender optimismus? ist bestimmt besser als im dunkeln leuchtende werbung für telefonanbieter (ich versteh das mit der 02-arena immer noch nicht ganz - wieso genau darf die da leuchten? das ist doch blasphemie!).
und zuguterletzt, ein paar gedanken über fil. über fil schreiben ja viele, wenn sie nicht schon zu alt dazu sind. die meisten - so wie ich die letzten zwei male - versuchen, in ihren kritiken oder artikeln fils humor zu imitieren, um fil angemessen darzustellen. hmm. auf einem spaziergang heute dachte ich, dass die kopie des originals selten adäquat darzustellen vermag, wie gut das original in echt ist. filme zitieren ist selten so lustig wie der film an sich. besonders schwierig wird's, wenn man den film nicht kennt. wenn man fil nicht kennt, weiß man nicht, dass er fürchterlich zärtlich-subtil-platt-witzig-laut-leise-komisch-ergreifend-sexy ist. oh, sexy am ende. dinge, die am ende stehen, merkt man sich am meisten. also, erneut: wenn man fil nicht kennt, weiß man nicht, dass er fürchterlich zärtlich-subtil-platt-witzig-laut-leise-komisch-ergreifend-sexy-musikalisch ist. besser. fil, für alle, die es noch nicht wussten, ist fil. ein mittelalter herr mit leckerem, nee, nochmal. ein herr um die vierzig, der seinen lebensunterhalt mit dem zeichnen von comics und dem unterhalten von zuschauern im mehringhoftheater verdient. er ist klein- und -künstler. seine neue bühnenshow trägt den titel "der feuchte gebieter" und macht spass. viel. leider durfte sharkey, sein kleiner handpuppenhai, diesmal nicht mitspielen. fil ist großmeister der observation und herrlicher spiegel menschlicher macken. schon deswegen rate ich, das mehringhoftheater heute abend zu stürmen, die "ausverkauft" schilder mit animalischem gebrüll abzureißen und euch zu stapeln. vielleicht kommt's zu ner orgie... mann mann mann! wer fil lieber in ruhe sieht, geht dann im januar: 13. bis 24.01., dienstags bis samstags in erwähntem theater, immer 20 uhr. kneifen filt nicht. hö.
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20 November, 2008

dein tod naht...

... las ich soeben in meinem emaileingang. selbiges verkündete mir eine mir unbekannte dame namens daniela. ehrlich? ich erschrak. wie oft liest man solche dinge? in der hoffnung, dass daniela, wer auch immer sie ist, unrecht habe, klickte ich auf "löschen" und fragte mich, wie daniela und der tod zugang zu meinem normalen postfach gefunden hatten. dann dachte ich, was, wenn sie recht hat? schnell noch einmal blog schreiben!

und das geht heute gut, denn ich habe eine ärztliche zwangspause verordnet bekommen, mandelentzündung. deswegen trinke ich tee und sitze zu hause rum. lese sachen, von denen ich müde werde, wie zum beispiel meine neuesten literarischen anschaffungen: fritz the cat als comic (wie kann man davon müde werden? ich weiß es auch nicht), die weltreligionen als buch (hinduismus/brahmanismus, gähn, ein gott für jede windrichtung, präferierterweise mit vielen gliedmaßen oder elephantenköpfen und plautze). bin gespannt auf den chinesischen universalismus. und aufs christentum. religionen sind schon was komisches. minderheiten stellen gesellschaftliche regeln auf, denen aus verschiedenen gründen sehr viele menschen beginnen, glauben zu schenken und auf einmal ist's ne religion und die minderheiten ganze völker.

dann lese ich auch noch literatur, von der man nicht müde wird. dazu gehört auf jeden fall ein schwarzweißes, schmales buch einer sehr talentierten autorin namens johanna melzow. das kleine, feine berliner verlagshaus johannes c. frank hat es herausgebracht. es heißt "vogelmädchen" und ist ein vorbuch zum lyrikdebüt der autorin im frühjahr 2009. weil eine gruppe autoren des verlags derzeit auf lesereise gehen, gab es das vorbuch. hier ein kleiner auszug, damit dieser widerliche tag in goldener erinnerung schwelgen darf:

septembergedicht

eine biene fliegt im steilflug steil
einen sonnenstrahl herab
an dir vorbei ich lache sommer-
sprossen dein rücken riecht
nach meer sammle uns
in diesen himmelvollen tagen
an denen gefühlsschwer wir ab-
tauchen zum grund
...

zu bestellen über den verlag. link rechts unter "belletristik".

und nun, schnell, bevor ich sterbe, noch ne tasse tee und selber literatur verfassen, bevor heute abend fil und sein kleiner hai meine lachmuskeln zum niederknien bringen werden.
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14 November, 2008

bäh, ich möchte lieber überhaupt nicht.

wahrheiten: ich bemerke ständig die kleinen dinge. die großen natürlich auch, aber die kleinen entzücken mich häufiger mehr.

kleine dinge 1: auf dem kirchhof der apostelkirche in schöneberg steht eine eiche, auch unter naturschutz. weil der baum so alt und morsch ist, wird er von zwei riesigen stahlträgern gestützt. noch nie habe ich die praktische umsetzung von dalís krücken in natura gesehen. ich erinnerte mich an meine spanischprüfung und den umstand, dass ich dalís paranoisch-kritische methode nie verstanden hatte. ich glaube, man KANN sie nicht verstehen, der typ hatte ja'n schuss. nichtsdestotrotz: eigentlich ein großer künstler, nur irgendwie über die falschen bilder definiert und vermarktet...

kleine dinge 2: mir kam auf dem weg ein ca. 40-jähriger mann auf seinem fahrrad entgegen. er hatte zurückgekämmte haare. nicht gegelt, sondern vermutlich mit haarspray fixiert und das mit einem kamm und äußerster sorgfalt. er fuhr an mir vorbei, ich roch sein starkes, altmodisch riechendes aftershave. er trug eine beige jacke und helle jeans. ich fühlte mich schlagartig an sky dumont erinnert, nur in arm. und dachte schlagartig darüber nach, welche entscheidungen die menschen tagtäglich treffen, sich irgendwie anzuziehen, sich sorgfältig die haare zu striegeln und sich alkoholische lösungen ins gesicht zu klatschen. seltsam: wir menschen.

großes ding/kleines ding 3: um meine seele mal wieder zum summen zu bringen, lief ich heute zur arbeit. das dauert eine stunde und ist eine sehr gute sache. im tiergarten war meine musik alle und ich entschied, das hirn könne nun auch ohne beschallung sein. schlechte entscheidung, ich hörte nämlich dadurch etwas, was ich lieber nicht gehört hätte: ein knacken im gebüsch. fatalerweise guckte ich in selbiges. dort stand ein mann, mit hose runter und einem schmerbauch. kann mir mal jemand sagen, warum alle exhibitionisten, die ich sehe, dicke wampen haben? ich machte sowas wie "äääh." und guckte schnell nach vorn. der typ sagte (oh, hätte ich die musik doch nie ausgemacht!): "wenn du ficken willst, können wir das machen." ich guckte bloß nicht hin und sagte: "bäh, ich möchte lieber überhaupt nicht." und lief, lief, lief, im sauseschritt, weg vom ekel. der typ brüllte mir unrythmisch dinge hinterher, die alle hauptsächlich nach "a" klangen. vielleicht war's "bleib da!" oder "fuck!". ich weiß es nicht, ich will's auch gar nicht wissen. wenn das schicksal allerdings NOCH einmal einen hoserunterlasser meines weges schicken will, dann will ich einen mit besserem bauch. und von mir aus braucht er mich auch nicht nach gv im gebüsch fragen. da sag ich eh kategorisch "nee". eklig: wir menschen.


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