10 Juni, 2009

arbeitslosigkeit. eine studie zu symptomatik und therapieformen.

arbeitslosigkeit. eine zur zeit in deutschland grassierende epidemie. viele äußerst fähige, gut aussehende, viele sprachen sprechende, mit universitäts- und anderen abschlüssen qualifizierte menschen leiden an ihr. die symptomatik der arbeitslosigkeit besteht aus überdurchschnittlich langen schlaf- und frühstücksphasen, sinnkrisen im weiteren und engeren sinne ("was mach' ich bloß den ganzen tag lang? ach richtig, ich könnte ja nochmal das avid tutorial anstellen. oder rausgehen, kaffee trinken. ach!") und nicht zu vergessen, geldmangel. wie kann die arbeitslosigkeit therapiert werden? multifaktoriell. da wäre zum einen der verhaltenstherapeutisch am gelungenste weg der "bewerbung", eine maßnahme, bei der der erkrankte das problem an der wurzel zu beheben sucht.

die bewerbung, vor noch vier jahrzehnten eine äußerst erfolgsversprechende therapieform, ist zum heutigen tage nichtig geworden. heute zählen die so genannten "connections" ("kennste jemanden, der mal in marzahn 'ne asifamilie für "format dokumist" begleiten will? ach ja? geil, ist das die mit den großen ******? ja, die nehmen wir!"). die connections funktionieren auf weit subtilere weise als die bewerbung, sind allerdings aufgrund der arbiträr-unlogischen ratio des "connectors" nicht immer erfolgsversprechend ("ach, ist das die mit den großen ******? nee, die ist mir zu extrovertiert.").

ein weiteres hindernis bei der bekämpfung der arbeitslosigkeit ist die konstante flutung des arbeitsmarkts mit einer masse von fremdkörpern: dem überdurchschnittlich qualifizierten patienten. eine armee von perfekten arbeitskräften steht dort bereit und wartet auf die ideale therapie. wer immer noch denkt, bewerbungen machen sinn, der steht nicht selten anzeigen gegenüber, die verlangen, dass der bewerber a) kamera, b) ton, c) redaktion, d) schnitt, e) eigene vertonungen und f) einen eigenen arbeitsplatz vorweisen kann. mal zum vergleich: ein klassischer musiker spielt genau wieviele instrumente so richtig gut? genau.

betablocker, antidepressiva: wie behandelt man die arbeitslosigkeit medikamentös? nun, zum einen wird der usus von rauschmitteln aufgrund der symptomatik "langeweile" und "ratlosigkeit" des patienten empfohlen. zu den gängigsten rauschmitteln gehören kaffee und alkohol, natürlich in komorbidität mit den schon erwähnten langen schlafphasen. therapeutisch von großem nutzen sind die gruppentherapien mit so genannten "freunden", menschen, die dem patienten zuhören und rat geben ("du musst noch wohngeld beantragen! da gibt es so ne website, die heißt "kursnet", da kannste dir ne weiterbildung angucken!"). ebenfalls von wert ist der "sport", eine körperliche beschäftigung, bei der der patient mal "loslassen" kann von seiner ungeduld.

und dann, wenn der patient losgelassen hat, körperlich fit ist, sich von seinen freunden verstanden fühlt, wenn alle anderen ungeheuer qualifizierten fachkräfte nach "münchen" gegangen sind, wenn alkohol und kaffee selber langweilig geworden sind, dann, aber nur dann, kann im denken eines connectors eine supernova an synapsenharmonie eintreffen ("ach, ist das nicht diese ungemein fähige, musikalische, kreative, rundum geile redakteurin? die will ich!") und dann. dann sind wir geheilt.
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06 Juni, 2009

ohne ausweis in der sauna

westberlin, 1976. sybille und hans f. sind glücklich. beide sind studenten und haben gerade eine schöne wohnung gefunden, im westberliner prestige-stadtteil lichterfelde. die johannesstraße soll familie f., die zwei mädchen adoptiert haben, zum geliebten zuhause werden. nach einzug in die große altbauwohnung wird erst einmal renoviert. an den wänden hängen noch ein paar che guevara poster und auf die türen sind mittig rote sterne gemalt worden. herr und frau f. denken sich dabei nichts, sie selbst sind links orientiert und machen sich an die umgestaltung der wohnung. eine rutsche ins kinderzimmer, eine schaukel in den türrahmen. doch dann fangen die anrufe an. unbekannte, immer männer, rufen bei familie f. an und fragen nach monika. herr und frau f. betonen mehrmals, sie kennen keine monika. frau f. macht sich sorgen, hegt die vermutung, die junge familie stehe unter einem ihr nicht verständlichen verdacht. ihr mann beruhigt sie. nichtsdestotrotz ist die junge mutter nicht überzeugt. ständig meint sie nun, auf der straße oder im supermarkt würde sie beschattet.

eines kalten wintertages beschließt das ehepaar, in die sauna zu gehen, den stress mal ein wenig auszuschwitzen. die sauna in der filandastraße hat eine kleine hütte oben auf das dach gebaut, auf einer terrasse, auf der man über die stadt sehen kann. in bademäntel gehüllt betreten herr und frau f. die kleine sauna. sie sind die einzigen gäste. kaum haben sich ihre augen an die schwummrige beleuchtung gewöhnt, wird die tür aufgerissen und zwei stabile männer in trenchcoats und hüten stehen im türrahmen: "ihre ausweise, bitte!" frau und herr f. sind nackt, ausweislos und völlig schockiert. frau f. denkt, sie bricht gleich zusammen. herr f. lässt sich weniger anmerken, wie sehr ihn die situation belastet. beide greifen sich ihre bademäntel und folgen den herren nach draußen. und dort, auf der terrasse der sauna reden die vier klartext. nein, sie kennen keine monika. was das alles soll. warum sie beschattet würden, warum sie nicht in ruhe ihr leben leben könnten. die beiden herren im mantel schenken den beiden frierenden figuren nach und nach glauben. und klären auf.

westberlin, 1970. monika, gudrun und ulrike planen etwas. ihr freund andreas sitzt im gefängnis. mithilfe von monika schaffen es ulrike und gudrun, andreas die flucht zu ermöglichen. monika, die schon in jordanien die plo mit ihrer schnelligkeit und intelligenz zu beeindrucken wusste, taucht unter. und wieder auf, später im jahr, in der johannesstraße in lichterfelde-west. hier wurde ihr gesagt, solle sie sich melden, bei ihren genossen von der raf. als monika die wohnung betritt, die liebevoll mit che guevara postern und roten sternen geschmückt wurde, wird sie überwältigt. polizisten hatten den unterschlupf beschattet. monika berberich kommt ins gefängnis, so wie ihre mitstreiter gudrun ensslin und ulrike meinhof. berberich ist renitent und bricht 1976 aus dem hochsicherheitstrakt aus.

die vier figuren in bademänteln und trenchcoats schweigen. seit zwei wochen ist monika berberich in berlin unterwegs. und familie f. wohnt in "ihrer" wohnung. die vermutungen waren wahr, frau f. wurde tatsächlich beim einkaufen überwacht. herr und frau f. müssen ihre unschuld nicht erneut beteuern, die beamten glauben ihnen. nichtsdestotrotz ist familie f. für lange zeit auf verdächtigen-listen verzeichnet. die familie zieht nach westdeutschland. bei jeder einreise nach berlin wird ihr auto durchsucht. herr f. verliert ohne jede begründung mehrmals seinen job. heute sind die listen (hoffentlich) getilgt.

nach zwei wochen wird monika berberbich 1976 erneut gefasst und mus zurück in den knast. ensslin, baader und meinhof sterben im gefängnis, berberich nicht. heute lebt sie in frankfurt und ist verfasserin linksradikaler schriften. deutschland, so ein o-ton von ihr in einer bbc-reportage, sei ein faschistischer staat.
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