Als Gustav und ich im Hotel sitzen, am Abend von Tag vier, entscheide ich mich, nicht weiterzulaufen. Zumindest nicht im Norden. Der fünfte Tag hält nämlich eine besondere Überraschung bereit: den Cirque de Solitude. Das ist ein Herr-der-Ringe-tauglicher Talkessel mit 200 Höhenmeter Abstieg an Ketten und danach mehr als 200 wieder hoch, auch an Ketten. Ich denke: "äh, nö", stoße mit Gustav auf unsere gemeinsamen vier Tage an und wir gehen schlafen.
Hässliche Herberge, feine Aussicht |
Am nächsten Morgen teilen wir alles an Essen auf, was Gustav bisher noch getragen hat und lassen auch viel extra Kohlenhydrate in der Hütte zurück: Nudeln, Cous Cous, ein paar YumYums.
Rambo wäre stolz auf mich |
Weil ich in den Süden fahren werde, zerschneiden wir den Reiseführer mit dem Messer, das ich in der Herberge gefunden habe. Es steckte im Holz des Fensterbretts und ich musste unwillkürlich denken, dass jemand das da mit einer gewissen Agression reingerammt hatte. Ich bekomme die Seiten für den Süden, Gustav die für den Norden.
Aus eins mach zwei |
"Aber ich fahre ja in den Süden," sage ich, "da ist es nicht gefährlich". Wir umarmen uns und ich gehe blinden Auges mit Mein Bester ins Hotelrestaurant. Dort bestelle ich mir, schniefend, und interessiert beäugt vom nicht so schlecht aussehenden Bartender einen Cappuccino und schaue aus dem Fenster. Schön ist es hier am Morgen, in diesem Hotel. Die Wände sind aus Holzvertäfelung, draußen sieht man die Berge.
Die Sonne scheint, es ist warm und ich bin in Sicherheit. Ich fange an, Tagebuch zu schreiben:
"Also. Ich habe vor dem Cirque de Solitude abgebrochen. Das war sicher auch besser so, das hätte ich nicht geschafft. Gustav ist allein weitergegangen. Das ist auch gut so. So hat er die Möglichkeit, in seinem Tempo zu laufen und ich auch."
Hotelterrasse in Haut-Asco |
Ich schaue hoch, vor mir der Cappuccino und begegne dem Blick eines älteren Herrn, der mir freundlich zunickt. "Zumindest konnte ich mir gestern die Haare waschen", denke ich. Sonst sähe ich aus wie..., wie..., tja, wie jemand, der sich tagelang nicht wäscht. Wie ein stinkiger GR-20-Wanderer halt. Der Frühstücksraum leert sich und ich stehe auf, um mein Glück zu versuchen. Ich gehe zum Tisch des älteren Herrn.
Best ride ever, thanks to Diana and Patrick |
"Sorry, do you speak English?" sage ich zu ihm und seiner Frau. "We are English", sagt sie mit einem feinen Lächeln. Patrick, very nice to meet you, und Diana, seine Frau. Um die 65, Korsikaliebhaber seit den 70ern. Sie erzählen mir von ihren Wanderungen auf dem GR-20, with the boys. We have two sons, one of them tried to walk the GR-20 as well, a few years back. But he got into high winds and couldn't continue. "Like me", I say and tell them my story.
Patrick und Diana machen Platz in ihrem BMW, der vollgeräumt ist mit Reiseutensilien und fahren mit mir nach Ponte Leccia. Wo sie gar nicht hinmüssen. Sie müssen nach Calvi an der Westküste. Sie fahren mich 25 Kilometer nach Ponte Leccia, weil sie mich zum Zug bringen wollen. Talk about sweetness.
Im Auto reden wir über die Fremdenlegion, die in den 70ern die Straße gebaut hat, auf der wir fahren. Über die korsische Mafia, die es Ausländern nicht erlaubt, Häuser auf Korsika zu bauen. Über die beiden, die seit mehr als 20 Jahren in einem kleinen Dorf in Südfrankreich leben. Über meinen Nichtjob und die Medien. "Tough line of work", sagt Diana, ich nicke nur.
Abwesend stelle ich fest, dass mein Ohr heiß ist. Das andere auch. Hm. Als ich es anfasse, stelle ich fest, dass ich gestochen wurde. Komisch, gestern waren doch gar keine Mücken auf dem Weg, denke ich, während ich immer alarmierter bemerke, dass nicht nur meine Ohren zerstochen sind, sondern auch mein Kinn (dreifach) und meine Wangen.
Marieke, zerstochen und kleinlaut |
Ich frage mich, ob ich weiß, ob Flöhe von Menschen auf Autos überspringen, während meine Haut in einen milden Schockzustand abdriftet, eine kleine allergische Reaktion. Ich versuche, nicht zu kratzen.
Als wir in Ponte Leccia ankommen, laden die beiden mich noch auf einen café creme ein. Als Diana in der Bäckerei versucht, mein Baguette zu bezahlen, muss ich lachen. Ich fühle mich, als hätte ich auf einmal eine zweite Mama geerbt. "Thanks, but you've done so much for me already. I can get that," sage ich. Beim Abschied tauschen wir unsere Nummern aus.
Ich gehe mit Mein Bester zum Bahnhof und fahre mit dem Mittagszug nach Süden.
Mein Bester auf dem Weg nach Vizzavona |
Fazit Tag 5:
1) The kindness of strangers is limitless.
2) Bed bugs DO bite.
3) Das Richtige tun ist manchmal langweiliger als das Falsche. Aber auch sicherer.
Willst du alles über Tag 6 auf dem GR-20 lesen? Dann klick hier!
1) The kindness of strangers is limitless.
2) Bed bugs DO bite.
3) Das Richtige tun ist manchmal langweiliger als das Falsche. Aber auch sicherer.
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